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Warum Blogger immer noch Blogger sind – und keine Verlage

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Ein Text von http://www.lousypennies.de

Foto: © Tabthipwatthana – fotolia.com

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„Hallo, ist da das Jahr 2006?“ – „Nein, sie haben sich verwählt, hier ist 2016.“ – „Ach egal, ich habe hier wieder mal einen kritischen Text zu Bloggern“. Die FAZ schreibt Blogger tot – wie schon viele davor. Aber die Toten kommen scheinbar immer wieder…

Der Stein des Anstoßes? Michael Spehr schreibt auf der FAZ:

Heute gibt es diese Blogs zwar noch immer, sie sind jedoch bedeutungslos. Die Blogger von früher schreiben entweder direkt auf den Seiten der etablierten Verlage oder sie sind, wie Sascha Pallenberg, mit professionellem Webauftritt, mit hohen Besucherzahlen, Werbung, Sponsoren und fest angestellten Mitarbeitern nichts anderes als, sagen wir es ruhig: Verleger.

Herrje, die Blogger sind tot – schon wieder.

Dieser Beitrag trägt in sich gleiche mehrere Formen der Tragik.

Erste Tragik: Print-Online-Verzahnung gegen Blogs einsetzen

Die erste zeigt schon einen Unterschied zwischen einem Blogger (oder wie wir sie gerne nennen „selbstbestimmte Publizisten“) und einem Verlag. Dieser Verlag denkt nämlich so:

„Aha, ich bringe einen Text, der Blogger totschreibt. Damit das aber meine Print-Ausgabe nicht kanibalisiert, veröffentliche ich den Beitrag online erst ein paar Tage später.“

Und so kam es also, dass der Text aus der FAS im Web erst dann verbreitet wurde, als die Replik von Thomas Knüwer auf den gedruckten Beitrag schon seit einem Tag online stand.

Genau das wird Blogger stets von einem Verlag unterscheiden: Es ist Bloggern egal, wo und wann der Text erscheint. Sie veröffentlichen ihn dann, wenn er fertig ist. Sie brauchen keine Rücksicht auf Befindlichkeiten anderer Abteilungen nehmen.

Zweite Tragik: Nicht wissen, was ein Blog überhaupt ausmacht

Zugegeben: Das ist auch schwer. Ich kenne keine wirklich umfassende und komplett zufriedenstellende Definition. Wir können uns dem vielleicht von zwei Seiten nähern.

Der technischen: Dann reden wir hauptsächlich über das Content Management System (CMS) WordPress als typische Blog-System. Derzeit basieren laut den Web Technology Surveys rund 26 Prozent des gesamten Internets auf WordPress. Auch wenn sich WordPress freilich schon zu einem großen CMS gemausert hat, ist die Chance doch recht hoch, dass sich bei der Verbreitung auch mehr oder weniger viele klassische Blogs darunter finden. Relevante und weniger relevante.

Der wissenschaftlichen: Es gibt da eine interessante Arbeit: Bucher, Hans Jürgen/Büffel, Steffen (2005): Vom Gatekeeper-Journalismus zum Netzwerk-Journalismus. Weblogs als Beispiel journalistischen Wandels unter den Bedingungen globaler Medienkommunikation.

Klar, die ist nicht brandneu (aber das ist der Inhalt des Textes von Michael Spehr auch nicht), aber sie streicht einige Merkmale heraus, die ich als Kennzeichnung von Blogs sehr gut finde:

  • Individualisierung der Kommunikation
  • Verlinkung und Vernetzung
  • Interaktivität aller Beteiligten
  • Aufhebung der Grenze zwischen Rezipient und Produzent und damit auch zwischen Profis und Laien

Bei diesen Kriterien würde ich klassischen Verlagen gerade mal den Punkt drei zugestehen bezogen auf Kommentarspalten. Ich wollte übrigens kommentieren bei der FAZ, aber da muss man sich erst aufwendig registrieren – im Gegensatz zu einem Blog.

Über den Rest kann sich jeder selbst ein Bild machen, aber im Vergleich werden die meisten Verlage da nicht allzugut abschneiden. Es ist also ein bestimmtes Mindset, das Blogger zu Bloggern macht. Eines, das Verlage bis heute nicht verstehen, weil allzuoft noch Printdenke in den Köpfen herrscht.

Dritte Tragik: Fehlende Kenntnis der Szene(n)

Ja, es gibt eine Szene – oder mehrere Szenen von Bloggern. Meist ballen sie sich um das gewählte Nischenthema herum, aber nicht immer. Ein Beispiel von vielen sind die Reiseblogger, eine lebhafte Gruppe, die von sehr klein und speziell bis groß und allumfassend Themen aufgreift. Reiseblogger haben gar einen eigenen Kodex, der ihr Dasein definiert.

Auch Facebook offenbart etliche Gruppen, die sich zu dem Bereich gebildet haben.

Bekommt man auf den sozialen Medien schnell raus. Man kann sich ja mal den Spaß machen und es mit anderen Blogthemen versuchen. Mir zumindest fallen auf Anhieb Lawblogger, Techblogger und Autoblogger ein.

Bevor man dann also so etwas anhand eines Bloggers (Pallenberg) in der FAS schreibt, hätte man sich mit der Szene auseinadnersetzen können.

Da hilft es sogar ganz einfach, wenn man das Fachblatt „Journalist“ von Rommerskirchen liest. Die Veranstalten nämlich regelmäßig Blogcamps – nächstes Mal zum Thema „Kunst/Kultur„. Das kann also auch ein Journalist mitbekommen.

Ansonsten lade ich Herrn Spehr sehr gerne in den Münchner Presseclub ein, der einmal monatlich den BloggerInnen-Stammtisch zu Gast hat. Was so nach kleiner Runde klingt ist allerdings meist ein voller Saal an Bloggern, mit denen man herrlich Netzwerken kann.

Fazit: Klar kann man auch was kritisieren …

Ich mag nicht abstreiten, dass es immer wieder Blogger gibt, die größer werden und sich eher einem größeren Betrieb annähern. Bei Sascha Pallenberg ist es sicherlich der Fall. Dennoch bleibt er nahbar, nimmt lebhaft an Diskussionen zu seinen Artikel teil (was ich bei Herrn Spehr stand Veröffentlichung noch nicht sehe), vernetzt sich mit anderen Bloggern in dieser und anderen Szenen und lebt somit einen Stil vor, der weit weg von verstaubten Verlagen ist.

Aber ehrlich: Über die Verleihung des Preises an Sasche habe ich mich auch kurz gewundert – es fehlte das Frische daran, das hätte man zurecht kritisieren können. Kein Element der Überraschung – auch wenn ich es dem Preisträger gönne und man es rational belegen kann.

Allerdings kenne ich den Hintergrund der Preisverleihung des „Goldenen Bloggers“ – er kommt mit einem gehörigen Schwung Humor. Karsten und ich hatten schon unsere eigenen Erfahrung damit ;)

Nur bitte, bitte, liebe Journalisten, liebe Kollegen: Es ist SOOOO müßig im Jahre 2016 schon wieder und immer noch Blogger und Blogs totzuquatschen. Ich kann im Gegenteil versichern, dass die Szene lebendiger und vielfältiger ist denn je. Lasst uns doch bitte endlich andere Probleme angehen und lasst uns diesen bescheuerten Grabenkampf, der ja immer wieder aufbricht endlich beenden.

Lesetipp: Auch Jannis Kucharz auf Netzfeuilleton hat sich mit dem Thema eingehend beschäftigt.

Der Beitrag Warum Blogger immer noch Blogger sind – und keine Verlage erschein erstmals auf Lousy Pennies.

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